Raum 1

Digitale Wörterbücher vs. gedruckte Wörterbücher

(Autorin: Ursula Schultze, 30.09.2015)

Digitale Wörterbücher sind nichts anderes als gedruckte Wörterbücher. Sie sind Nachschlagewerke, die Wörter und andere sprachliche Einheiten enthalten. Diese Wörter sind Einträge, sie werden auch als Lemmata bezeichnet, und sind in der Regel alphabetisch geordnet. Digitale Wörterbücher liegen, im Unterschied zu gedruckten Wörterbüchern, in digitaler Form vor (Bank 2012: 347). Im Gegensatz zu einem gedruckten Exemplar bieten sie dem Nutzer viele Vorteile. So kann man auf digitale Wörterbücher zeit- und ortsunabhängig und in den meisten Fällen auch kostenfrei zugreifen, ebenso kann auch die Darstellung der Inhalte komplexer und detaillierter erfolgen als in gedruckten Wörterbüchern. Bei der Suche kann der Nutzer selbst entscheiden, ob er nach einem Lemma sucht oder ob er im Artikelvolltext nachschlagen möchte. Zudem kann er erweiterte Suchanfragen stellen (Station 3). Dem Nutzer stehen demnach viel differenziertere Suchmöglichkeiten zur Verfügung. Bei der Darstellung der Inhalte eines digitalen Wörterbuchs können die Strukturen, die das Internet bietet, ausgenutzt werden. Hier verfügt man beispielsweise nicht über die Begrenzung einer Buchseite. Man kann den uneingeschränkten Platz nutzen. Ebenso lassen sich Bilder und Audiodateien, geographische Daten und Videomaterial mit einbinden, was in gedruckten Wörterbüchern nur eingeschränkt oder gar nicht möglich ist. Digitale Wörterbücher bieten zudem Möglichkeiten der Vernetzung an, das heißt, dass Einträge miteinander verknüpft werden können und dem Nutzer auf diese Weise ein schneller und komfortabler Zugriff auf Verweisartikel geboten wird. Dieser Raum beschäftigt sich mit digitalen Wörterbüchern, deren Entstehung und Digitalisierung, sowie mit der Arbeit der Lexikographen.

 

Im PONS Bildwörterbuch wird sehr deutlich, wie die Möglichkeiten, die sich durch die digitale Aufbereitung von Wörterbuchinhalten ergibt, ausgeschöpft werden können und welche Vorteile sich für den Benutzer ergeben.

Die Kartoffel im PONS **Bildwörterbuch

Die Kartoffel (rot eingekreist) fällt im Pons Bildwörterbuch unter den Oberbegriff des Knollengemüses. Neben der Kartoffel sind noch andere Sorten abgebildet, die unter den genannten Oberbegriff fallen, so wie z.B. die Topinambur, die Süßkartoffel oder der Knollenziest. Im unteren Teil des Bildes kann man sich die Aussprache der gelisteten Gewächse anhören. Klickt man auf das entsprechende Wort, öffnet sich ein weiteres Fenster mit dem Aussprachebeispiel. Man kann sich die Beispiele nicht nur in deutscher, sondern auch in englischer Sprache anhören.

 

 

Kartoffel_PONS

Artikel Kartoffel im PONS Bildwörterbuch (Screenshot: Ursula Schultze, CC BY-SA 4.0).

Duden_Kartoffel

Artikel Kartoffel im Duden für die deutsche Rechtschreibung (Duden, Deutsches Universalwörterbuch. Redaktion: Kunzel-Razum, Dr. Kathrin u.a. Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich 2006, S. 933. Scan: Ursula Schultze, CC BY-SA 4.0).

Der Artikel im Duden Universalwörterbuch (Duden 2006: 933) zeigt das Wort Kartoffel. Hier in der gedruckten Fassung des Universalwörterbuchs sind Informationen über die Etymologie des Wortes Kartoffel vermerkt, so z.B., dass sich das Wort Kartoffel ursprünglich aus dem italienischen tartufo bzw. dem spätlateinischen terrea tuber für Trüffel, Erdknolle über das Wort Tartuffel durch das Verschwinden von phonetischen Ähnlichkeiten und Unterschieden der Laute (Dissimilation) zu dem uns heute bekannten Kartoffel verändert hat. Des Weiteren wird die Verwendung des Wortes erläutert, und man findet Angaben zu den Bedeutungen des Wortes Kartoffel, teilweise mit grammatikalischen Informationen.

Welche Vorteile digitale Wörterbücher bieten, zeigt sich deutlich, wenn Sie diesen Eintrag einmal mit der Online-Ausgabe des Dudens vergleichen. Klicken Sie hierzu auf folgenden Link. Dieser Online-Artikel enthält die gleichen Informationen wie der Artikel aus dem gedruckten Universalwörterbuch. Er beinhaltet aber zudem noch Synonyme, Informationen zur Aussprache, zusätzliche grammatikalische Informationen und typische Verbindungen des Wortes Kartoffel mit Adjektiven, Verben und anderen Substantiven.

Als Basis für die Erfassung und Bearbeitung des Inhalts der gedruckten wie der Online-Fassung schreibt Duden in beiden Ausgaben, dass das Duden-Korpus verwendet wird und ebenso die Möglichkeiten, die das Internet bietet, ausgeschöpft werden. Lediglich in der Ausgabe des Duden Universalwörterbuchs wird noch die Duden-Sprachkartei und die Verwendung von Datenbanken angeführt, jedoch sei hier darauf hingewiesen, dass die diesem Text zugrundeliegende Ausgabe aus dem Jahr 2006 stammt.

Es zeigt sich, dass in der Online-Ausgabe mehr Platz für die Darstellung von Inhalten ist. Der Artikel wird übersichtlicher, leichter lesbar und die Inhalte lassen sich ausführlicher präsentieren.

Ebenso können durch das Hypertextprinzip Artikel, Einträge oder sogar andere Wörterbücher miteinander verlinkt werden, was das Blättern in einem Wörterbuch erspart (Bank 2012: 348). Hypertextprinzip bedeutet, dass einzelne Informationseinheiten miteinander vernetzt werden können, so dass sich eine virtuelle Struktur ergibt, die mit einem Gewebe vergleichbar ist. Jeder Wörterbuchartikel verfügt zudem über eine eigene URL (einen eigenen Weblink), über die man direkt zum Eintrag gelangt, ohne vorher das komplette Wörterbuch aufrufen und hier erneut nach dem gewünschten Lemma suchen zu müssen. Durch graphische Benutzeroberflächen bleiben die technischen Dinge, die hierbei im Hintergrund ablaufen, dem Nutzer verborgen. Oftmals können die Artikel auch als PDF ausgegeben werden. Anders gestaltet sich dies jedoch zum Beispiel bei digitalen Faksimiles, die nicht volltextdigitalisiert sind und lediglich wie ein Buch durchgeblättert werden können, da sie nur als Imagedigitalisat vorhanden sind.

Im Trierer Wörterbuchnetz beispielsweise kann man sich die URL eines Artikels direkt oder in einem neuen Fenster anzeigen lassen. Zudem wird darauf hingewiesen, in welchem Wörterbuch dieser Artikel zu finden ist. In diesem Bild kann man im rot umrandeten Bereich sehen, dass der Artikel Kartoffel im Wörterbuch eingetragene Verweise auf das Rheinische und das Südhessische Wörterbuch besitzt. Ebenso werden aber auch automatische Rück- und Querverweise (hier grün und gelb eingekreist) erzeugt. So gelangt man z.B. durch einen automatischen Querverweis auf den Artikel Kartoffel, der in der Erstbearbeitung des Deutschen Wörterbuchs der Brüder Grimm steht.

Kartoffel_WBNetz

Artikel Kartoffel im Pfälzischen Wörterbuch (Screenshot: Ursula Schultze, CC BY-SA 4.0).

 

Typen Digitaler Wörterbücher

Allgemein lässt sich festhalten, dass Wörterbücher, die in digitaler Form vorliegen, direkt schon online und digital konzipiert werden oder das digitale Abbild einer gedruckten Vorlage sein können, ebenso aber auch die gedruckte Vorlage als Ausgangsbasis nehmen und online erweitert werden können. Direkt online konzipierte Wörterbücher werden auch als ›digital born‹-Wörterbücher bezeichnet. Wörterbücher, die einer gedruckten Vorlage entspringen und digital ausgebaut werden, versteht man als sogenannte Mischtypen. Dagegen werden Wörterbücher, die die gedruckte Vorlage inhaltsgetreu abbilden, retrodigitalisierte Wörterbücher genannt. ›digital born‹-Wörterbücher und Mischtypen sollten nicht als in sich geschlossene Werke verstanden werden, »sondern [als] ein flexibles, jederzeit erweiterbares und auf bestimmte Zwecke zuschneidbares Digitales Lexikographisches System (DLS), das in seiner Grundform nur auf einem Computer steht. Zu bestimmten praktischen Zwecken kann man daraus gedruckte Wörterbücher ableiten« (Klein 2004: 11). 

 

Das Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache (DWDS) ist ein Beispiel für einen Mischtyp. Das DWDS basiert auf dem sechsbändigen gedruckten Wörterbuch der Deutschen Gegenwartssprache und dem 33-bändigen Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Erweitert wurde es im Zuge der Digitalisierung durch Korpora. Heute umfasst das DWDS-Korpus mehr als 5 Milliarden Textwörter. 

      

DWDS

DWDS (Screenshot: Ursula Schultze, CC BY-SA 4.0).

Das Portal Deutscher Wortschatz der Universität Leipzig ist im eigentlichen Sinne kein Wörterbuch, sondern eher eine Wortsammlung, kann aber als Wörterbuch benutzt werden. Das Portal wurde direkt digital konzipiert und die Daten wurden aus öffentlich zugänglichen Internetquellen wie beispielsweise der Wikipedia automatisch erhoben. 

DeutscherWortschatz

LCC (Screenshot: Ursula Schultze, CC BY-SA 4.0).

 

  

Das Goethe-Wörterbuch (GWB) ist ein Beispiel für ein retrodigitalisiertes Wörterbuch. Ihm liegt das gedruckte Wörterbuch zugrunde, wobei die Bände 1 bis 4 mit der Methode des Double-Keying digitalisiert wurden, Band 5 aus Satzdaten und Band 6 und folgende aus den Redaktionsdaten erstellt wurden bzw. werden. Das Goethewörterbuch ist nicht nur ein Autorenwörterbuch, sondern »gehört unumstritten zu den renommiertesten Unternehmungen auf dem Gebiet der deutschsprachigen Lexikographie« (Kompetenzzentrum Trier 2015: o.S.).

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GWB (Screenshot: Ursula Schultze, CC BY-SA 4.0).

  

BabelNet ist ein mehrsprachiges lexikalisiertes semantisches Netzwerk sowie Nachschlagewerk und ist heute eines der innovativsten Projekte im Forschungsbereich der digitalen Lexikographie. Es wurde mithilfe computerlinguistischer Methoden erstellt, wobei hier die Wikipedia mit WordNet verknüpft wurde. 

BabelNet

BabelNet (Screenshot: Ursula Schultze, CC BY-SA 4.0).

 

Bank, Christina, Die Usability von Online-Wörterbüchern und elektronischen Sprachportalen, in: Information - Wissenschaft & Praxis, Jg. 63, Nr. 6/ 2012, S. 345-360.

Klein, Wolfgang, Vom Wörterbuch zum Digitalen Lexikalischen System, in: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, Nr. 136/ 2004, S. 10-55.

Kompetenzzentrum für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren in den Geisteswissenschaften, Das Goethewörterbuch im Internet, online: http://gwb.uni-trier.de/de/ [21.09.2015].

 

Gärtner, Kurt; Hildenbrandt, Vera, Digitization and Publication of the Goethe-Dictionary on the Internet, in: Digital Humanities 2007. The 19th Joint International Conference of the Association for Computers and the Humanities, and the Association for Literary and Linguistic Computing, hrsg. v. The Association for Computers and the Humanities, The Association for Literary and Linguistik Computing, Illinois 2007, S. 70f.

Mann, Michael, Internet-Wörterbücher am Ende der »Nullerjahre«: Der Stand der Dinge, in: Lexicographica. Internationales Jahrbuch für Lexikographie. Jg. 26/ 2010, S. 19-46.

Mann, Michael, Review, in: Digitale Lexikographie. Ein- und mehrsprachige elektronische Wörterbücher mit Deutsch: aktuelle Entwicklungen und Analysen, hrsg. v. Mann, Michael (Germanistische Linguistik 223/224), Hildesheim u.a. 2014, S. 1-8.

Schall, Natalia, Was können elektronische Wörterbücher leisten? Ein Evaluationsverfahren und seine Erprobung an englischen und deutschen einsprachigen Wörterbüchern auf CD-ROM (Univ. Diss. 2007), Nürnberg 2007.

Spree, Ulrike, Besonderheiten von Online-Wörterbüchern im Vergleich zu Printwörterbüchern, online: http://www.bui.haw-hamburg.de/pers/ulrike.spree/So02_onwbstruk.html [16.07.2015].

Storrer, Angelika, Digitale Wörterbücher als Hypertexte. Zur Nutzung des Hypertextkonzepts in der Lexikographie, in: Chancen und Perspektiven computergestützter Lexikographie, hrsg. v. Lemberg, Ingrid; Schröder, Bernhard; Storrer, Angelika, Tübingen 2001, S. 53-70.

Storrer Angelika, Deutsche Internet-Wörterbücher: Ein Überblick, in: Lexicographica. Internationales Jahrbuch für Lexikographie. Jg. 27 (2010), S. 155-164.